Apparative Sprechhilfe für Stotterer

SpeechEasy soll in den Markt gedrückt werden
SpeechEasy wird in Deutschland unter der Bezeichnung Sprechmanager verkauft.

[Der ursprüngliche Beitrag ist vom 01.05.2005. Ich füge jetzt die Nachträge oben ein, das ist praktischer.]

Nachtrag vom 07.09.2012
Auf Bitte der Tochter von Stefan P. habe ich seinen Nachnamen durch "P." ersetzt.

Nachtrag vom 10.04.2009
In dem Artikel "Special Hearing Aid for Stuttering People" wird erklärt, dass es in Kürze ein universelles Hörgerät geben wird, dass auch als Sprechhilfegerät nutzbar sein wird. "Universell" soll hier heißen, dass die gesamte Funktion des Geräts außer Eingabe und Ausgabe frei programmierbar ist.
    Damit wird sehr fraglich, ob das bestehende Monopol des amerikanischen Herstellers Janus Development überhaupt aufrecht erhalten werden kann. Das Erscheinungsbild ("Look and Feel") von Software und ihre Funktion sind nicht patentierbar und die Idee, Stotterern ein Gerät ins Ohr zu stecken, das aus einem Schallereignis (Input) ein anderes macht (Output) schon gar nicht.
Artikel "Special Hearing Aid" anzeigen

Nachtrag vom 07.09.2008:
In die Vermarktung von SpeechEasy ist neue Bewegung gekommen. Das Gerät heißt nur in Deutschland jetzt "Sprechmanager". Der Grund sind namensrechtliche Probleme. Nach dem Scheitern von Stefan P. hat sich nun die niederländische Firma Medsy der Sache angenommen.
    Am 17.08.2008 hatten wir in Hamburg-Harburg einige ehemalige Patienten eingeladen, dazu blieben einige Teilnehmer an dem laufenden Therapiewochenende, um SpeechEasy auszuprobieren. Ein Fernsehteam war auch gekommen, um eine Aufzeichnung für ARD-Brisant zu machen. Das Ergebnis war bis auf zwei Ausnahmen mager und mein Kommentar gegen SpeechEasy deutlich. Aber das war, bevor ich die aktuelle Version von SpeechEasy selbst im Ohr hatte. Die Qualität des FAF (frequency altered feedback) hat sich sehr stark verbessert. Allerdings ist das Gerät noch nicht in der Lage, und wird es vielleicht auch nie sein, den Choreffekt "wie im wirklichen Leben" nachzubilden.
    Am Montag haben dann in der JH Inzmühlen ein großer Teil der Gruppe TH38 in ihrer letzten Woche SpeechEasy erprobt. In drei von ca. 10 Fällen wollten die Vertriebsleute einen positiven Effekt gesehen haben.
    Erfolgsquote 30 Prozent? Ich selbst habe nur bei einem einen schwachen Effekt gesehen. Das Ergebnis nimmt nicht wunder, da dies die letzte Therapiewoche dieser Gruppe war. Da sind die meisten sehr flüssig. Wozu sonst machen wir denn die Therapie? Interessant wäre tatsächlich ein Test mit mittelschweren Stotterern, die keine oder eine schlechte / wirkungslose Therapie gemacht haben.

Nachträge vom 10.06.2008:
Es scheint eine neue Möglichkeit für einen Test des FAF/DAF-Effektes zu geben, vor dem man garnicht daran zu denken braucht, SpeechEasy anzuschaffen. Ich korrespondiere zur Zeit mit Alexander Biel von der Fa. FluencyCoach. Deren Website macht einen absolut vertrauenswürdigen Eindruck. Sie bieten ein Programm an, mit dem man die FAF/DAF-Funktion auf dem PC testen kann. Eine Testinstallation von leider nur 2 Tagen (auf Anfrage erweiterbar) ist gratis, die Dauerlizenz kostet einmalig USD 24,95. Das ist sehr dezent im Vergleich zu mehreren Tausend Euro für ein schlecht funktionierendes SpeechEasy-Gerät. Ich empfehle jedem, die FluencyCoach-Software zu testen und würde mich über einen Erfahrungsbericht freuen.
Nachtrag vom 11.07.2005:
Stefan P. hat inzwischen eine deutsche Firma gegründet.

SpeechEasy GmbH
Deelbröge 5-7
22297 Hamburg

E-Mail info (a) speecheasy.de / Internet www.speecheasy.de

Ein Kollege berichtete, dass das Gerät, das er von Herrn P. erhalten hat, auch nicht funktioniert.

Der Kaufpreis beträgt nicht mehr EUR 5.000,00 (vielleicht war das auch ein Missverständnis), sondern EUR 4.000,00. Aber auch das scheint mir albern überhöht.

In der Ausgabe 3/2005 des "Dialog" (Mitteilungsblatt der österreichischen Selbsthilfe-Initiative Stottern - ÖSIS) ist auf Seite 18 eine Werbeseite der SeechEasy GmbH erschienen, die als redaktioneller Beitrag von Stefan P. getarnt ist. Er beschreibt unter der Überschrift "Imitierter Choreffekt" die gewünschte Funktion von SpeechEasy korrekt, verschweigt aber, dass das Gerät diese Funktion nicht liefert, sondern nur als DAF-Gerät benutzt werden kann - siehe oben. Das Gerät soll im Rahmen des LogopädInnen-Infotages der ÖSIS vorgestellt werden.

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Ursprünglicher Artikel vom 01.05.2005
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Vorwort
Dieser Beitrag erscheint aus einem aktuellen Anlass. Zurzeit versucht eine deutsche Hörgerätefirma über einen PR-Agenten ein amerikanisches Gerät in Deutschland einzuführen, dass in der Therapie von Patienten, die stottern, eingesetzt werden soll. Der vorliegende Bericht soll Hintergrundinformationen bereitstellen und eine erste Bewertung dieses Vorganges ermöglichen.

Apparative Hilfen und Unisono-Sprechen (Chorsprechen)
Ein möglicher Therapieansätze bei Stottern ist neben der klassischen Übungstherapie, verschiedenen Formen der Psychotherapie, medikamentöser Therapie auch der Einsatz von apparativen Hilfen. Unter diesen haben besonders Geräte eine Bedeutung erlangt, deren Wirkung auf der Veränderung der akustischen Rückmeldung des Patienten beruht.
    Eine der zuverlässigsten Bedingungen, die auch ohne ein Gerät stotterfreies normales Sprechen bei einer ansonsten stotternden Person hervorruft, ist das Unisono-Sprechen: Zwei Personen sprechen gleichzeitig denselben Text. Der Unisono-Effekt tritt auch ein, wenn es sich bei beiden Personen um Stotterer handelt. Die Wirkungsweise dieses Effektes ist, wie die Wirkungsweise veränderter akustischer Rückkoppelung ungeklärt. Der Höreindruck des unter der Unisono-Bedingung produzierten Sprechens lässt keine Anhaltspunkt für eine Erklärung des Effekts erkennen.

Der DAF-Effekt (Verzögerte akustische Rückmeldung)
Seit den fünfziger Jahren hat das DAF-Verfahren (delayed auditory feedback), angeregt durch eine Arbeit von C. Lee, große Aufmerksamkeit gefunden. Wenn man einer Versuchsperson ihr eigenes Sprechen über Kopfhörer mit einer Verzögerung so laut in beide Gehörgänge wiedergibt, dass die direkte Wahrnehmung des Sprechens übertönt wird, kann man deutliche Effekte wahrnehmen: bei nicht-stotternden Personen treten Unterbrechungen des Sprechflusses ein, die Stotterereignissen ähnlich sind, während viele stotternde Versuchspersonen, aber nicht alle, eine deutliche Verminderung des Stotterns bis hin zur völligen Beseitigung des Stotterns zeigen. [Allerdings variiert der Effekt auf stotternde Personen sehr stark, wobei drei Versuchsbedingungen eine Rolle zu spielen scheinen: die Lautstärke der Rückmeldung, die Verzögerungszeit, ob der Versuchsperson eine Aufforderung mitgegeben wurde und, wenn ja, welche. Eine Diskussion der Details findet sich bei Natke (2000), S. 36-39]
    Es ist davon auszugehen, dass dieser Effekt nicht nur, wie oft vermutet wird, auf Ablenkung beruht. Was dagegen spricht, ist, dass es optimale Verzögerungszeiten gibt, die in der Größenordnung von 50 bis 100 msec liegen. Der genaue Wirkungsmechanismus ist allerdings nicht bekannt.
    DAF wurde Ende der 70er Jahre auch von z.B. Shames und Egolf in der Hochblütezeit der operanten Verhaltenstherapie als "mild punisher" zur Verminderung der Sprechgeschwindigkeit eingesetzt. Auf diesen Zweck wird hier kein Bezug genommen.

Der FAF-Effekt (Frequenzverschobene Rückmeldung)
Mit den Fortschritten in der Mikroelektronik wurde es denkbar und schließlich möglich, Geräte zu bauen, die eine Transposition von Schallereignissen ermöglicht, d.h. eine Verschiebung der Tonhöhe eines Schallereignisses. Dazu wird das analoge Ausgangssignal (die gesprochene Sprache) digitalisiert, digital mittels einer proportionalen Stauchung oder Streckung umgerechnet und aus dem Ergebnis analog wiedergegeben. Die Geschwindigkeit der eingesetzten Prozessoren reicht aus, um eine frequenzverschobene Rückmeldung ohne wahrnehmbare Verzögerungszeit zu bewerkstelligen. Die zunächst realisierten Versuchsgeräte deckten einen Bereich von je einer halben Oktave (Tritonus) nach oben und unten ab. Auch mit FAF wurden in systematischen Beobachtungen Verbesserungen der Sprechflüssigkeit bei Personen, die stottern, beobachtet (FAF-Effekt).

Die Effekte (Unisono, DAF, FAF) sind "passiv"
Für diese Darstellung ist es wichtig zu wissen, dass die genannten Effekte "passive" sind in dem Sinne, dass es nur eine, wenn überhaupt, kurze Gewöhnung erfordert und schon gar keine aktive Bemühung oder gezielte Übung seitens der Versuchsperson, um den Effekt zu bewirken. Es reicht also aus, die Versuchsperson mit einer anderen Person zusammen sprechen zu lassen (Unisono) oder mit einer DAF- bzw. FAF-Apparatur zu versehen, damit die Verflüssigungseffekte eintreten.

Der IFA-Kongress 1994 in München
Eine der ersten internationalen Präsentationen von Geräten und Darstellungen von Forschungsergebnissen zum FAF-Effekt wurde von der Forschergruppe Czyzewski und Kostek (Danzig, Polen) und Roland-Mieszkowski (Halifax, Kanada) gegeben. Die vorgetragenen ersten Ergebnisse legen Folgendes nahe:

• Der Effekt tritt sofort ein, ohne Gewöhnung und ohne Übungen.

• Der Effekt verstärkt sich mit zunehmender Gewöhnung.

• Der Effekt "nutzt sich nicht ab", sondern ist auch nach 10 Monaten Benutzung des Geräts noch gleich stark zu beobachten.

• Es gibt eine Nachwirkung des Effekts, d.h. er hält noch für eine gewisse Zeit an, nachdem das Gerät für eine längere Zeit benutzt worden ist.

• Von den benutzten Einstellungen war eine Kombination von FAF mit einem geringen Anteil an DAF (wenige hundertstel Sekunden) am effektivsten.

Mein Besuch des Instituts für Tontechnik an der TU Danzig 1997
Im Sommer 1997 habe ich das Institut für Tontechnik an der Technischen Universität Danzig besucht, wo ein Laborgerät zur Verfügung stand, mit dem man FAF und DAF mit unterschiedlichen Einstellungen realisieren konnte. Ich trug Kopfhörer und ein kleines Mikrofon. Das Ergebnis war, dass man mit dieser Art von veränderter akustischer Rückmeldung im Vergleich zu DAF mit großer Lautstärke sehr komfortabel kommunizieren kann. Besonders angenehm war, dass die Rückmeldung mit der natürlichen akustischen Rückmeldung kam, wie von einem virtuellen menschlichen Mitsprecher. Dass dieser "Mitsprecher" auch mit meinen Gesprächspartnern mitsprach, empfand ich nicht als irritierend.
    Am angenehmsten für mich war eine Einstellung von FAF: eine halbe Oktave nach unten und sehr wenig, wenn überhaupt, DAF.
    Im Labor waren sehr wenige Umgebungsgeräusche, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass lautere Umgebungsgeräusche eine wesentliche Beeinträchtigung darstellen könnten.
    Der Effekt auf mein Stottern war nicht dramatisch, da ich zu der Zeit (wie heute) nicht viel und nicht stark stotterte. Jedenfalls war ich unter der Versuchsbedingung vollkommen stotterfrei.

Joe Kalinowski: Virtuelles Unisono
Inzwischen hatte sich Joe Kalinowski, Professor für Sprech- und Sprachpathologie an der East Carolina University in Greenville, NC, USA zu Wort gemeldet. Kalinowski hat einen großen Teil seiner Forschungstätigkeit der Frage gewidmet, worauf die Wirkung von flüssigkeitsfördernden Sprechtechniken (fluency enhancing ways of speaking) beruht. Der von Czyzewski, Kostek und Roland-Mieszkowski berichtete Effekt der Kombination von FAF und DAF war ihm ebenfalls bekannt. Die Firma Janus Development hat daraufhin ein miniaturisiertes Gerät entwickelt, das den Markennamen SpeechEasy trägt.
    Kalinowski legt in seiner Darstellung großen Wert darauf, dass der Effekt, den man mit diesem Gerät erzielen soll, dem natürlichen Unisono-Effekt, dass man nämlich als Stotterer sofort spontan-flüssig sprechen kann, wenn man denselben Text mit einer anderen Person zusammen spricht, sehr ähnlich ist. Kalinowski, der selbst ohne apparative Hilfe stark stottert, ist allerdings kein überzeugender Beweis für diese These, da er mit dem Gerät zwar weitgehend flüssig, aber doch auffällig verlangsamt und auffällig lauter spricht.

Weltkongress der Stotterer in Gent, Belgien 2001
Auf dem Weltkongress in Gent hatte ich Gelegenheit unter der Anleitung eines Assistenten von Kalinowski das SpeechEasy-Gerät eingehend zu testen. Mir fiel auf, dass die FAF-Funktion nur unzureichend realisiert war. Der Mangel bestand darin, dass das Gerät keine treue Transposition lieferte, sondern dass das Frequenzverhältnis von Input zu Output nicht konstant war. Akustisch äußert sich das in einem sehr störenden Jaulen der Rückmeldung. Ich kann mich schwach daran erinnern, dass das Lautstärkeverhältnis ebenfalls schwankte, bin mir aber dessen nicht sicher.
    Der Assistent bestätigte mir, dass es sich bei dem vorliegenden Gerät um einen Prototypen handelte und dass die FAF-Funktion wegen der Miniaturisierung noch nicht befriedigend realisiert sein.

Stefan P.: SpeechEasy in Deutschland
    Im Sommer kam der Hamburger Journalist und PR-Berater Stefan P. auf mich zu, um mich wegen einer Einführung von SpeechEasy in Deutschland zu befragen. Mir war das Vermarktungskonzept durch Janus Development in den USA bekannt. Dort wird das Gerät über Sprech- und Sprachpathologen (Logopäden) vertrieben. In einer Erprobungsphase wird das Gerät mit einem Ohrstück versehen und Versuche gemacht, um die beste Einstellung von FAF und DAF zu bestimmen. Der Patient hat dann die Möglichkeit, das Gerät 60 Tage zu erproben, und kann es dann gegen Erstattung von 90 Prozent des Kaufpreises von USD 4000 bis 5000 wieder zurück zu geben. Janus Development nennt diese Vorlage von USD 400-500 eine "100 % Satisfaction Guarantee".
    Ich habe Herrn P. die gesamte Information, die ich zu dem Thema habe, zur Verfügung gestellt und habe besonders auf Folgendes hingewiesen:

Da bekannt ist, dass nicht alle Menschen, die stottern, den gleichen Nutzen von einer Kombination von FAF und DAF haben, müsste ein seriöses Vertriebskonzept unbedingt beinhalten, dass die Effektstärke zunächst mit einem stationären Laborgerät getestet werden kann. Dieser Test müsste gratis durchgeführt werden, da ja dem Patienten im Falle eines Fehlschlages keinerlei Nutzen entsteht. (Beim Autokauf zahlt man ja ebenfalls keine Gebühr für die Probefahrt. Nicht einmal das Benzin muss man bezahlen.)

Präsentation beim Phoniater Dr. Graf von Waldersee in Hamburg
Es war vorgesehen, dass ich SpeechEasy innerhalb von kurzer Zeit an einigen meiner Patienten testen sollte. Allerdings standen erst keine Geräte zur Verfügung und dann waren meine Patienten nicht greifbar, so dass es tatsächlich nicht zu einem Test kam. Herr P. hatte inzwischen zu einer Präsentation in der Praxis von Dr. Graf von Waldersee eingeladen, zu der ca. 10 bis 15 Hamburg Logopädinnen geladen waren, nicht aber ich. Herr P. hatte vorher verbreiten lassen, dass ich in das Projekt eingebunden sei und von SpeechEasy ganz begeistert sei, ohne dass ich mich jemals so geäußert habe. Ich habe mich dann schließlich selbst eingeladen und habe an der Präsentation teilgenommen.
    Die Präsentation lief darauf hinaus, dass Herr P. versuchte, Logopädinnen zu finden, die bereit sind, SpeechEasy an ihren Patienten zu erproben. Die ganze Darstellung machte einen durchaus seriösen Eindruck, der nur dadurch getrübt wurde, dass Herr P. die technischen Begriffe häufig durcheinander brachte und jeden Einwand in der Diskussion dadurch abfederte, dass er darauf hinwies, ja kein Fachmann zu sein, und die hohe und unbestrittene Kompetenz der Logopädinnen lobte. Es kam auch der hohe vorgesehene Kaufpreis, nämlich EUR 5.000,00 zur Sprache und die Möglichkeit für die Logopädinnen, durch eine Provisionszahlung einen erheblichen Nebenverdienst zu erzielen.

Test im Werner-Otto-Institut
Ich hatte dann Gelegenheit, an einem Test im Werner-Otto-Institut in Gegenwart der Hamburger Lehrlogopädin Corinna Lutz und einer weiteren Hamburger Logopädin teilzunehmen. Für diesen Test war eigens eine Hörgeräteakustikerin der Fa. Interton Hörgeräte GmbH in Bergisch-Gladbach angereist, die sicherstellen sollte, dass das Gerät korrekt angepasst und eingestellt wird. Getestet wurde das Gerät an einem stotternden Patienten der anderen Logopädin.
    Die meiste Zeit wurde dazu verwendet, zu versuchen, eine optimale Parametereinstellung (Lautstärke, Frequenzverschiebung, Verzögerungszeit) zu bestimmen. Das Kriterium war immer, ob die Einstellung "angenehm" war, und nicht, welche Verflüssigung eintrat. Die Hörgeräteakustikerin verstand nichts von Stottern und die Logopädin konnte offenbar den erwünschten Effekt nicht beurteilen, so dass die ganze Erprobung nicht zu einem klaren Ergebnis führte. Die erzielten Verbesserungen waren auch in der angeblich optimalen Einstellung nur minimal und können auch auf die Kompensation einer Störung (ähnlich dem "Kieselstein im Mund") zurückzuführen sein.

Das zur Zeit verfügbare Gerät
Dann erhielt ich die Gelegenheit zu einem Test, bei dem ich über einen Laptop selbst die Parametereinstellung vornehmen konnte. Das Ergebnis war eine Katastrophe, die ich folgendermaßen zusammenfassen kann. Die technische Funktion des Geräts wurde inzwischen nachhaltig verbessert (siehe Nachträge), ohne dass klar ist, ob sich dadurch auch die Wirkung verbessert hat. Die Verbesserung bezieht sich nur auf die Transposition nach oben. Der Mangel bei der Transposition nach unten blieb unverändert.

• Die DAF-Funktion funktionierte einwandfrei, wobei Verzögerungszeiten von 0 bis 200 msec eingestellt werden konnten. Die Qualität der DAF war nicht high fidelity, sondern dem Telefon vergleichbar, was aber meines Erachtens ausreicht.

• Die Parametereinstellung für die FAF-Funktion war mit -2000 bis 2000 Hz dargestellt, was schon sehr eigenartig ist, da ja die Transposition in einer Verhältniszahl gemessen wird, wobei 0,5 eine halbe Oktave nach unten und 2,0 eine Oktave nach oben bedeutet. Tatsächlich sollen, wie eine Nachfrage bei Janus Development ergab, zwei Oktaven nach unten ("-2000 Hz") und zwei Oktaven nach oben ("2000 Hz") einstellbar sein.

• Die FAF-Funktion nach oben ergab einen schrillen, scheppernden Ton, der in keiner Weise dazu dienen konnte, die Illusion eines Unisono-Mitsprechers zu erzeugen. Vielmehr war es so, dass man einerseits gegen diesen unangenehmen Begleitton ansprechen musste und andererseits sich natürlich alle Geräusche im Raum einschließlich der Äußerungen des Gesprächspartners zu diesem schrillen, hässlichen Ton führten. Die Frage, ob eine Parametereinstellung "angenehm" sei, führte natürlich dazu, dass Einstellungen ohne FAF-Funktion bevorzugt wurden.

• Die FAF-Funktion nach unten ergab gar nichts! Das einzige, was man als Rückmeldung bekam, war "das Flüstern eines kleinen Zwerges, der weit entfernt in einer Ecke sitzt", wenn ich das einmal in dieses Bild kleiden darf, d.h. Artikulationsgeräusche und andeutungsweise Formanttöne, aber ebenfalls nicht, was die gewünschte Illusion hätte hervorrufen können.

War das ein "Montagsmodell"?
Zunächst habe ich natürlich angenommen, dass wir ein defektes Gerät getestet habe. Eine spätere Überprüfung durch die Fa. Interton Hörgeräte GmbH ergab allerdings, dass es sich bei dem benutzten Gerät um dasselbe handelt, das zurzeit in den USA vertrieben wird.

Die Hörgeräteakustikerin hat mir berichtet, dass die Fa. Interton an einer brauchbaren Version von SpeechEasy arbeitet, wobei meines Erachtens die Vorarbeiten von Prof. Kalinowski und die Entwicklungsarbeiten von Janus Development so gut wie wertlos sind. Das Ziel ist ein Gerät, das eine hohe Tontreue (high fidelity) liefert, mit einer FAF-Funktion, deren Transpositionsverhältnis über alle Frequenzen konstant ist, und einer DAF-Funktion, deren Verzögerungszeit stabil ist.
    Ich habe dann der Hörgeräteakustikerin angeboten, bei Interton einen Vortrag zu halten bzw. mit den Entwicklern zu sprechen, um dabei mitzuwirken, dass tatsächlich ein brauchbares Gerät entsteht.
    Zusätzlich habe ich noch bei Janus Development per E-Mail angefragt, ob meine Beobachtungen wegen der FAF-Funktion zutreffen. Glücklicherweise habe ich eine ehrliche Antwort erhalten, die lautete: "The sound becomes significantly distorted at 1.5 and 2 octaves up or down and I have rarely seen a device programmed at these settings. I think there may be too little benefit of having a setting beyond 1 octave up or down because the sound becomes very distorted." Damit ist zumindest durch den Hersteller bestätigt, dass Janus ein Gerät herstellt, das bei möglichen Parametereinstellungen nicht funktioniert.

Das Geschäftsmodell
Der Kontakt mit Interton ist allerdings nicht zustande gekommen. Ich wurde von der Hörgeräteakustikerin an Herrn P. als alleinigen zuständigen Gesprächspartner verwiesen. Dabei wurde mir klar, dass Herr P. nicht im Auftrage der Janus Development handelt und auch nicht aus eigener Initiative, sondern von der Firma Interton den Auftrag hat, eine Marktstudie durchzuführen. Ziel dieser Studie ist meines Erachtens festzustellen, ob der Vertrieb über niedergelassene Logopädinnen auf Provisionsbasis überhaupt funktionieren kann, welche Stückzahlen absetzbar sind und welche Infrastruktur (z.B. Schulung der Vertriebspartner) geschaffen werden muss.
    Das, was zur Zeit geschieht, ist meines Erachtens noch gar nicht die Einführung, sondern eine Pilotstudie, aufgrund deren Ergebnis dann entschieden wird, ob von Interton eine brauchbare Version von SpeechEasy entwickelt wird, die dann auf dem getesteten oder einem anderen Weg vertrieben wird.

Wie ist der Erfolg von SpeechEasy in den USA zu erklären?
Angeblich sind in den USA bereits über 2000 Exemplare von SpeechEasy in dieser defekten Form verkauft worden. Dafür kommen meines Erachtens mehrere Erklärungen in Frage.

• Die Zahl ist vermutlich überhöht. Ich kenne das amerikanische Wettbewerbsrecht nicht und weiß nicht, welche Nachteile einer Firma entstehen, die nachgewiesenermaßen mit überhöhten Verkaufszahlen wirbt, kann aber von vornherein diese Möglichkeit nicht ausschließen.

• Die Käufer wissen zu wenig darüber, was sie eigentlich kaufen und was möglich wäre. Ich erinnere daran, dass der FAF-Effekt (evtl. verbunden mit geringer DAF) ein passiver Effekt ist. Ich finde aber im Internet viele Belege dafür, dass den Interessenten in Aussicht gestellt wird, dass die Wirkungen in der Erprobungsphase nur der Anfang sind und dass weitere Fortschritte natürlich davon abhängig sind, dass fleißig weiter geübt wird.

• Das Gerät wird von den meisten Anwendern ohne FAF benutzt. Eine Anfrage in der amerikanischen Mailingliste STUTT-L hat zu diesem Ergebnis geführt. Der Grund ist klar. Die zurzeit implementierte FAF-Funktion liefert gar keine brauchbare Transposition, sondern führt zu einem Störeffekt, der von vielen Trägern weggeschaltet wird. Damit allerdings liefert SpeechEasy nur eine DAF-Funktion, die zwar bekanntermaßen ebenfalls stotterreduzierend wirken kann, aber die natürlich keine EUR 5.000 kosten dürfte (siehe Alternativen).

• Die Anfrage hat auch ergeben, dass viele Anwender keinerlei Information erhalten haben, was die möglichen Einstellungen überhaupt bedeuten und wie sie selbst das Gerät handhaben können.

• Die Öffentlichkeit wird gezielt irregeführt. In den USA ist Oprah Winfrey ungefähr das, was bei uns Günter Jauch darstellt, eine Fernsehpersönlichkeit von großer Glaubwürdigkeit, deren Sendungen höchste Einschaltquoten haben. Die drei Stern TV-Sendungen über Ingrid Del Ferro haben ja hier gezeigt, welche Wirkungen man mit der geschickten Präsentation von Einzelfällen erzielen kann.

• Auf einer früheren Version der Website der Janus Development fand man ein Video, auf dem der oben angesprochene Passiveffekt eindrucksvoll dokumentiert ist. Das Problem ist nur, dass das benutzte Gerät mit großer Wahrscheinlichkeit ein funktionierendes Laborgerät war und nicht SpeechEasy!

Alternativen
Die Frage, ob eine apparative Hilfe, die eine FAF-Funktion (mit und ohne zusätzliche DAF-Funktion) zur Verfügung stellt, für stotternde Patienten nützlich sein kann, ist damit noch nicht negativ beantwortet. Der Vorwurf, den ich hier erhebe ist lediglich, dass

• SpeechEasy, rein von der technischen Seite gesehen, nicht funktioniert, wie es funktionieren sollte,

• ein Kaufpreis von EUR 4.000,00 auch unter Einbeziehung der gesamten Entwicklungskosten meines Erachtens albern überhöht ist und

• die Tätigkeit von Logopädinnen als Vertriebsbeauftragte der Interton Hörgeräte GmbH nicht mit deren Berufsethos und dem geltenden Krankenkassenrecht vereinbar ist, auch wenn saftige Provisionen winken.
Es wird zur Zeit (Dezember 2008) von der Fa. Medisy eine Vertriebsschiene über die Hörgeräteakustiker aufgebaut. Da diese allerdings in der Regel nicht sachverständig sind, was Stottern betrifft, muss befürchtet werden, dass die Anpassung zu einem reinen Probieren ("Versuch und Irrtum") wird und Hilfesuchenden auf die Möglichkeit einer seriösen Therapie nicht hingewiesen werden.

Wenn man bereit ist, auf die Unsichtbarkeit eines In-Ohr-Gerätes zu verzichten, gibt es eine Reihe von Alternativen.

• Die Firma Digital Recordings in Halifax, Kanada stellt das Gerät "DSA" (Digital Speech Aid) her, das 1994 auf dem ersten Intenational Congress on Fluency Disorders in München präsentiert wurde.

• Die Firma Casa Futura Technologies in Boulder, Colorado stellt das Gerät "Basic Fluency System" her, das mit Kehlkopfmikrophon und Ohrhörer bzw. Kopfhörer (beidseitig) betrieben werden kann.

• Die Firma ArtefactSoft vertreibt Software für einen Pocket Computer. Das würde, wenn sie befriedigend funktioniert, zu einer äußerst preiswerten Lösung führen.

Die Nennung dieser Geräte und Bezugsquellen stellt keine Empfehlung dar. Eine Garantie, gleich welcher Art, kann ich ebenfalls nicht geben.

Literatur
• Czyzewski A., Kostek B., Roland-Mieszkowski M.: Digital speech aid to decrease stuttering - clinical results and patients reactions. J. Fluency Disorders, vol. 19, No. 3, pp. 1-5, 1994.

• Natke, Ulrich. Stottern - Erkenntnisse, Theorien, Behandlungsmethoden. Bern:Huber 2000

• Roland-Mieszkowski M., Czyzewski A., Kostek B.: DSA (Digital Speech Aid) - The New Device to Decrease or Eliminate Stuttering. J. Fluency Disorders, vol. 19, No. 3, pp. 1-11, 1994.

Ich werde zu dem Thema dieses Beitrages weitere Informationen veröffentlichen wie sie anfallen. Falls Ihnen Informationen über die weitere Entwicklung bekannt werden, wäre ich Ihnen für eine Nachricht dankbar.

Andreas Starke, Logopäde
Höperfeld 23
21033 Hamburg

Stand: 07.09.2012

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